Meditation – eine Annäherung an die buddhistische Technik
Meditation. Was genau ist das eigentlich? Manche möchten sich durchs stille Sitzen entspannen oder erhoffen sich besondere Gefühle. Andere wollen produktiver und belastbarer sein. Auch die Ideen davon, was wir in der Meditation tun, unterscheiden sich stark. Da gibt es die, die angestrengt versuchen, ihre Gedanken loszuwerden. Und andere, die gar nicht erst anfangen zu üben mit der Begründung: „Dafür bin ich viel zu hibbelig.“
Der
erfahrene Meditationslehrer Gendün Rinpoche hat einst scherzhaft bemerkt: Wenn
es beim stillen Sitzen um Gedankenleere ginge, dann wäre ein Tisch der beste Meditierende.*(1)
Orgyen Rinpoche hat es noch krasser formuliert: Du willst Meditation ohne
Gedanken? Dann hau Dir mit der Eisenstange auf den Kopf. Und wenn Du vor dem Ende
der Sitzung aus der Ohnmacht wieder aufwachst, dann hau gleich nochmal zu!“*(2)
Das bedeutet im Umkehrschluss: Gerade weil wir viele Gedanken haben, sind wir
überhaupt fähig zu meditieren. Warum sollten wir sie also loswerden wollen?
Diese
Sichtweise lehrte Buddha bereits vor 2500 Jahren. Meditation in buddhistischer
Tradition ist keine Technik, durch die wir uns ein bisschen besser fühlen,
sondern ein Weg, auf dem wir uns besser kennenlernen. Wie herausfordernd und
intensiv diese Begegnung mit mir selbst sein kann, das erfahre ich inzwischen regelmäßig.
Seit 2011 übe ich Meditation in der Tradition von Karma Kagyü, einer der vier großen
Linien des tibetischen Buddhismus. An dieser Stelle eine kleine Warnung:
Meditation braucht Mut. Es ist ziemlich unbequem zu erleben, mit welchen alten
Verhaltensmustern und Gewohnheitstendenzen wir uns selbst immer wieder ein Bein
stellen.
Wie ein Ochse am Ring ziehen uns unsere Geschichten durchs Leben
Ein Fundament
der buddhistischen Praxis ist die Meditation der Geistesruhe (tibetisch:
Shine). Dabei beruhigen wir unseren quirligen Geist dadurch, dass wir ihm erlauben,
sich so zu zeigen wie er im Moment eben ist. Alles darf auftauchen, egal, ob wir
Unruhe, Langeweile, Angst oder bleierne Müdigkeit bemerken. Wir lernen, nicht
sofort auf alles einzusteigen, was wir uns selbst erzählen.
Genau darin
besteht die Herausforderung: Statt entspannt zu beobachten, was im inneren und
äußeren Erleben so auftaucht, nehmen wir uns normalerweise so ernst, dass wir aus
unseren Gedanken sofort unsere eigenen Wahrheiten konstruieren. Wie ein Ochse
am Nasenring lassen wir uns von selbst erfundenen Geschichten durchs Leben
ziehen, bewerten alles und jeden und kommen dabei selbst oft nicht allzu gut weg.
Hier mäkeln wir darüber, dass wir nicht schlank genug sind. Da missfällt uns
der rüde Ton eines Kollegen oder die Schlange an der Supermarktkasse.
Zum Glück
gibt es ja auch noch vieles, was wir wirklich mögen. Aber leider hält die
Freude übers neue Auto auch nur bis zum ersten Kratzer. Und der lang ersehnte
Urlaub hätte perfekt sein können, wenn die Hotelbetten nur nicht so
durchgelegen gewesen wären.
So springen
wir im Geist wie ein Flummy von Anhaftung zu Ablehnung und wieder zurück. Damit
sind wir so beschäftigt, dass wir alles Mögliche gar nicht mitbekommen oder
einfach überfordert ignorieren. Anhaftung
– Ablehnung – Ignoranz: Für den Buddha die Tore in die Unfreiheit, nicht selbstbestimmt,
sondern aus Unwissenheit gewählt.
Grundlegende Gedanken piesacken das innere Faultier
Sein Ratschlag: Hinsetzen, hinsehen und den natürlichen Atem als Anker benutzen. Zu ihm kehren wir unangestrengt und ohne Selbstkritik wieder zurück, wenn uns auffällt, dass wir im Gestern oder Morgen statt im Jetzt unterwegs sind.
Klingt soweit
ganz einfach. Wenn da nur nicht die eine Million Ausreden wären, die unsere
gute Absicht vereiteln. Einmal haben wir zu viel zu tun, ein andermal sind wir
zu müde. Der Buddha wusste um unser inneres Faultier, deshalb erinnern uns seine
vier grundlegenden Gedanken immer wieder eindringlich an die Notwendigkeit des
Geistestrainings. Sinngemäß lauten sie wie folgt:
1. Nur als Mensch sind wir unseren
Emotionen und Gedanken nicht hilflos ausgeliefert. Wir haben die Wahl, mit
ihnen zu arbeiten. Bedenke, wie schwer diese kostbaren Bedingungen zu erlangen sind
und wie leicht sie verloren gehen. Daher nutze diese Gelegenheit jetzt
sinnvoll.
2. Die Welt und ihre Bewohner – alles ist
vergänglich. Das Leben der Wesen gleicht Luftblasen im Wasser. Der Zeitpunkt deines
Todes ist ungewiss und sobald Du stirbst, wird dein Körper zur Leiche. Deshalb
praktiziere jetzt eifrig!
3. Das Prinzip von Ursache und Wirkung: Im
Augenblick des Todes bist Du nicht frei, denn die Samen, die Du durch Gedanken und Handlungen in deinem Leben setzt,
werden jetzt oder später Früchte tragen. Gib deshalb Schädliches auf, widme
dich stets dem heilsamen Handeln und prüfe mit dieser Motivation täglich deinen
Geist!
4. Im weltlichen Erleben gehen Glück und
Unglück immer Hand in Hand. Orte, Freunde, Vergnügen und Besitz - nichts bleibt dauerhaft. Durch unseren krampfhaften
Versuch alles festzuhalten, wird das vermeintliche Glück zum Henkersmahl, bevor
wir zur Hinrichtung geführt werden. Schneide aus diesem Grund die Fesseln des
Verlangens ab und meditiere!
Weniger Stress, mehr Mitgefühl - meditieren lernen bei Mandala Yoga
Das sitzt. Aber vielleicht kommen wir ja doch noch zur Hintertür wieder raus. Wofür der ganze Aufwand? Was habe ich davon, wenn ich mich besser kennenlerne, meine Macken und Ticks durchschaue? Die Antwort führt uns zurück zum Anfang: weniger Stress, mehr Belastbarkeit, Großzügigkeit, Klarheit und das wichtigste: mehr Mitgefühl – für uns selbst und für die Macken und Ticks der anderen.
Ab Oktober
meditieren wir regelmäßig bei Mandala Yoga. Die angeleiteten Sitzungen für Anfänger finden immer dienstags zwischen
den beiden Abendkursen statt – von 18.20 Uhr bis 18.50 Uhr. (Die erbetene
Spende zwischen 3 und 5 Euro geht an ein gemeinnütziges Projekt.)
*1: aus „Meditation
jenseits von Hoffnung und Furcht“ von Gendün Rinpoche
*2: „Wie es
ist“ von Tulku Orgyen Rinpoche