Vertrauen ins Leben
Ein großes
schwarzes Loch, so lässt sich wohl am ehesten meine Gefühlslage direkt nach dem
Ende unseres intensiven Yoga-Retreats auf Bali beschreiben. Wolfgang und ich
waren uns einig, zwei Tage in einem schicken Hotel würden helfen, vor dem
Heimflug unsere Energiereserven wieder aufzufüllen. Also freuten wir uns auf
Schirmchen-Drinks, Massagen und Faulenzen am Pool.
Aber es kam
zunächst, wie es immer kommt, wenn wir sicher sind, dass wir im Außen perfekt durchgeplant
haben – nämlich völlig anders. Nachdem alle Teilnehmer der Yogagruppe
verabschiedet waren, niemand mehr unsere Aufmerksamkeit und Fürsorge brauchte, konnte
ich die herbeigesehnte Stille nur schwer ertragen.
Und Sanur, unser
letztes Reiseziel auf Bali, war auch noch das Gegenteil von dem, was wir uns
erträumt hatten. Das Hotelzimmer eine riesige, muffig-dunkle Garage, direkt
gegenüber eine ambitionierte Reggae-Bar. Die Massage-Preise im Hotel-Spa waren unverhältnismäßig
hoch und der ganze Ort wirkte wie eine Art balinesischer Ballermann.
Zehn Tage
lang hatten wir zuvor mit unseren Yoga-Schülern geübt, in die Selbstfürsorge zu
gehen. Dafür hatten wir immer wieder trainiert, jeden Gedanken, jedes enge
Gefühl, jeden Widerstand da sein zu lassen, vollständig zu akzeptieren, statt
alles sofort weghaben zu wollen. (Ich werde in meinem nächsten Blog-Beitrag
noch ausführlicher über unsere Erfahrungen mit der buddhistischen Praxis der
liebevollen Güte – metta oder maitri berichten.) Und nun fühlte ich mich selbst
heillos überfordert, war genervt, schielte schon mal nach einem möglichen
Schuldigen im Außen, wollte nur noch nach Hause und ging mir mit all dem selbst
fürchterlich auf die Nerven.
In dem am
wenigsten willkommenen Moment liegt glücklicherweise auch die größte Lektion. Denn
regelmäßige Meditation macht uns eben nicht zu beseelt dauergrinsenden Hobby-Heiligen.
Stattdessen erlauben wir dem Schmerz durch die Achtsamkeitspraxis einfach da zu
sein, wir geben ihm die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die er braucht – nicht mehr,
aber auch nicht weniger. Das ist als würden wir mit dem Finger fürsorglich über
eine Schnittwunde streichen – um sie zart und vorsichtig zu versorgen. Worum
geht es wirklich? Woran mangelt es gerade? Was brauche ich jetzt?
Plötzlich
erinnerte ich mich daran, wie sich all die intensiven und herausfordernden
Momente der Vergangenheit letztlich immer irgendwann aufgelöst hatten. Und sich
so manche schmerzhafte Situation mit etwas Abstand als Segen herausstellte. Bisher
hatte das Leben immer gut für mich gesorgt. Warum also nicht auch jetzt ins Vertrauen
gehen? Ich entschied mich für einen kleinen Rückzug (um niemandem unfreundlich
auf die Füße zu treten) und akzeptierte einfach, dass ich überfordert war und
mir wie ein eingerollter, stacheliger Igel vorkam.
In dem
Moment, in dem ich meine eigene Bedrängnis anerkannte und ja, sie auch würdigte
als natürlichen Teil von mir, wurde ich innerlich sofort weicher. Mit der
Anerkennung der Enge steckte der Igel ganz vorsichtig seine Nase wieder in den
Wind.
Der nächste
Schritt war die bewusste Entscheidung, aktiv zu werden. Die Akzeptanz der
Situation bedeutet nämlich nicht, sie einfach hinzunehmen und auszusitzen. Ganz
im Gegenteil: Das Hinsehen hilft dabei, klarer zu werden und aus dieser
freundlichen Klarheit Veränderungen zu initiieren.
So wandten
wir uns lächelnd, aber bestimmt an die Hotelleitung und baten um ein neues
Zimmer. Umgehend bekamen wir ein kostenloses Upgrade auf eine bezaubernde Villa
mit eigenem Pool. Am Abend luden wir Freunde ein und feierten eine fröhliche,
kleine Party. Ein Prosit auf das Vertrauen ins Leben!
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