Diesen Krankenbesuch werde ich nicht vergessen. Mein
Großvater wird 90 Jahre alt, meine vierjährige Tochter Anni und ich betreten
das Klinik-Zimmer. Im ersten Bett ein alter, schlafender Mann. Daneben ein
alter, schlafender Mann. Im dritten Bett unser Großvater – ein alter,
schlafender Mann. Wir versuchen, ihn sanft zu wecken. Aber er wacht nicht
sofort auf. Anni dreht sich auf dem Absatz um, zieht mich aus dem Zimmer, wirft
die Tür ins Schloss, schreit und jammert: „Schlafen wir alle so fest, wenn wir
alt sind? Mama, lass uns bitte nicht alt werden, ja!“ Zurück ins Krankenzimmer? Auf keinen Fall!
Nichts bereitet uns mehr Unbehagen, als mit unserer
Sterblichkeit konfrontiert zu sein. Da macht es keinen Unterschied, ob wir vier
oder 44 Jahre alt sind. Die Angst bleibt immer die gleiche. Unser Umgang mit
ihr ist das, was uns unterscheidet. Ich kann die Tür zuschmeißen, den Kloß im
Hals runterschlucken. Und weiter so tun, als wäre alles für die Ewigkeit. Oder ich
lasse das dumpfe Gefühl der Ohnmacht einfach da sein. Akzeptierend, das alles
was lebt auch wieder geht. Was könnte dem Jetzt mehr Bedeutung schenken?
Annis Hand in meiner. Ich sage: „Alle fühlen das, was Du jetzt
fühlst. Schau hin: Was würdest Du wollen, wenn Du an Opas Stelle wärst?“
Anni: „Dass jemand da ist und meine Hand hält. So wie Du jetzt.“
Danach haben wir gemeinsam Geburtstag gefeiert.
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