Dienstag, 20. Januar 2015

Martha lächelt dem Tod ins Gesicht




Den Tod können wir gut ertragen - solange er noch weit genug weg ist. Sterben tun nur die anderen. Wir kennen uns aus: Heftige Bilder gibt es im Fernsehen schließlich genug. Und außerdem haben wir ja noch unendlich viel Zeit...

Ich bin aufgewacht, als mein Vater starb. Plötzlich hat die Vergänglichkeit mir ihre eisige Hand gereicht. Ich war wie paralysiert. Und ehrlich gesagt, in dieser Angststarre war ich niemandem eine Unterstützung. 


Deswegen sitze ich heute, einige Jahre später, in einem buddhistischen Seminar über den Tod. Neben mir eine junge, attraktive Frau mit schwarzer Strickmütze. 34 Jahre alt. Ich Lächeln ist unendlich lebendig. Ihr Körper: dem Ende ganz nah. Martha hat Krebs, der inzwischen bis in die Leber streut. Es geht nicht mehr um Heilung, nur noch um Lebensverlängerung. Und trotzdem ist da keine Spur von Angst, keine Verzweiflung. Dafür Vertrauen und eine bedingungslose Freundlichkeit, dem eigenen, immer schwächer werdenden Körper gegenüber. Die Meditation ist ihr Weg durch den Schmerz. Den Atem beobachten, hinschauen, die destruktiven Gedanken vorm inneren Auge sehen, aber nicht einsteigen. Nicht zulassen, dass der Geist die restliche kurze Lebenszeit zur Hölle macht.
Jeden Tag trainiert sie, die Dinge so zu akzeptieren wie sie sind. Warum? Weil sie das Leben liebt. Sie sagt, das Schlimmste sei, wenn die Leute ihr rieten, sie solle kämpfen. "Gegen wen soll ich denn in die Schlacht ziehen? Gegen meinen eigenen Körper?" Stattdessen will sie jeden Tag, der ihr noch bleibt, so bewusst wie möglich erleben. Ohne allem eine Bewertung drüber zu stülpen - gut oder schlecht, falsch oder richtig, gerecht oder ungerecht. 


Martha hat verstanden, was wir noch verdrängen: Nichts dauert ewig. Unser Körper ist ein Hotel, aus dem wir einmal wieder werden ausziehen müssen. Manche früher, andere später. So wie jede Blume welkt und jeder noch so stabile Baum irgendwann dem Sturm zum Opfer fällt. Martha, danke, dass Du da bist! Dein Lächeln ist mir die wichtigste Lektion!
www.mandalayoga.de

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